Ich hab mich mehr als die Hälfte meines Lebens “nicht genug” und “zu viel” gefühlt - zu behaart, zu laut, zu kleiner Busen, zu aggressiv/kampfbereit, zu laut, zu kurze Haare, zu wenig sexy, zu wenig sanft und lieblich, zu wenig warm, herzlich, bemutternd, zu oberg´scheit, zu goschert, zu Damenbart, zu bohrend, zu Haare auf den Zähnen, zu… viel.
Absurder Weise hat mich dieser Umstand trotzdem nicht davor bewahrt, als Kind und Jugendliche extrem unangenehme Übergriffe von Männern zu erleben - die Liste ist leider lang und grauslich, ich erspar euch an dieser Stelle die Details. Und heute behaupte ich jetzt einfach mal folgendes: Jede weiblich gelesene Person kennt diesen Moment, wo man „Nein“ oder „Stop“ sagt und schlagartig vom „süßen Mäderl“, von charmanten Komplimenten, auf „unlocker“ und „ned guad Kiaschn essen“ katapultiert wird… Die Scham durch diese Form der Abwertung geht leider sehr tief und bleibt einem zusätzlich zum Übergriff tief in den Knochen erhalten. Ja, wird sogar manchmal zur inneren Stimme.
Und zugleich denke ich mir umgekehrt: viele Männer leiden unnötig unter den Erwartungen und Abwertungen, die unser Gesellschaftsmodell mit sich bringt: maskulin, stark, nicht weinend, keine Warmduscherschwuchtelmemme, kein Weichei, …sein zu dürfen, ist das menschlich? Diese Erwartung führt meiner Meinung nach dazu, dass emotionale Intelligenz verkümmert, oder in der Erziehung verkümmern gelassen wird.
Ich könnte jetzt von Gefängnissen, Diktatoren und toxischer Männlichkeit sprechen, aber ich denke, ihr wisst bereits, worauf ich hinaus will.
Tun wir uns doch bitte alle gegenseitig den Gefallen: lassen wir uns und vor allem unsere Nachfahren frei aus diesem kaputten, krampfhaft aufrechterhaltenen, binären Gesellschaftsmodell. Eine Textzeile in diesem Lied lautet: „Bis wir ihn selbst spüren, den Schmerz auf der Haut“ - ich denke, es kann wirklich leicht passieren, dass plötzlich DU flüchten musst oder etwas an DIR zufällig nicht mehr der Norm entspricht… der Wind kann sich schnell drehen, besser gleich für ein solidarisches Miteinander kämpfen und nicht erst, wenn’s einen selbst betrifft, oder?!
Ich hab mich immer anders gefühlt mimimi…ja, aber geschrieben hab ich das Lied nicht FÜR mich oder ÜBER mich. Ich verlass zwar, wie oben erwähnt, da oder dort die (statistische) Norm, aber grade noch so wenig, dass es in den meisten Situationen kaum auffällt - ich kann mir aber grade deshalb lebhaft ausmalen, wie anstrengend es sein muss, in irgendwelchen Bereichen stärker von der Norm abzuweichen. Und was ist sie denn schon, “die Norm”? Statistik. Der statistische Durchschnitt. Binäre Logik. 0 und 1. Computer sind binär, aber die Natur? Vielfalt ist natürlich, das ist ja das faszinierende an der Natur! Schon kurios, dass unter dem Vorwand Natur und Religion die schlimmsten Schläge gegen die Vielfalt getätigt werden!
Meine Post-Schwanger-Köper-Erfahrung war mein erster Kontakt mit nicht der Norm entsprechender Körperform-und Wahrnehmung: eben drum hab ich diesen Post-Preggy-Körper dokumentiert und jetzt sogar in diesem Video veröffentlicht. Mutprobe, ja. Sehr privat, ja. Ich bin aber nicht länger bereit, Oberflächen zu bedienen - weder in und an mir selbst, noch mit meiner Kunst.
Da für die meisten mit Musik eh nicht wirklich Geld zu machen ist, möchte ich meine Musik wenigstens dafür nutzen, Geld für gute Zwecke (NGO´s, Solis,…) zu sammeln. Dazu werd ich für jedes meiner im Zuge dieses Albums veröffentlichten Lieder eine Organisation auswählen, die gut zu meiner Aussage passt. Für das Lied „Menschen“ hab ich die Queerbase ausgewählt, diese unterstützt Menschen, die aufgrund ihrer queerness zu Flüchtenden werden müssen.
“Was könnte natürlicher sein als der menschliche Drang, nach Eigenregie zu leben und zu lieben?”, sagt und dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Wendi Gessner | Wende Punkt ist Musikproduzentin und bildende
Künstlerin.
Nach zwei Jahren Elternschaftspause
entsteht das dritte Album, "Wind Wind Wind", VÖ: 24.4.2024
Das Album, die dazugehörigen Musikvideos sowie der physische Tonträger in Eigenregie: Knarzend-elektronischer Industrial-Pop über feministische, sozialpolitische und philosophische Themen.
Keine leichte Kost, dafür mit Nährwert....more
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